Das Handwerk hat goldenen Boden – sagt man zumindest. Es hat aber auch die unterschiedlichsten Typen, denn Handwerker sind Individualisten. Das liegt an ihrer Konstitution, denn sie haben zwei Hände, mit denen sie ein Werk erbringen, welches ihr eigenes Produkt ist. Jeder von ihnen hat aber auch seinen ureigensten Charakter, mit dem er dieses Werk mit Akku-Bohrschrauber und Handkreissäge vollbringt.

Der Zielorientierte

Handwerker machen oftmals bei oberflächlichem Hinsehen den Eindruck, als könnten sie sich ihren Arbeitstag völlig frei einteilen. Das liegt nicht zuletzt an ihrem verallgemeinerten Image, wie es in Form des „Weeerner“ als Lehrling bei Meister Röhrich geschildert wird. Ganz so ist es nicht, denn Meister Röhrich hat seiner Kundschaft ein Angebot geschrieben, und Geld kann er nur verdienen, wenn seine Mitarbeiter die Zeitvorgaben einhalten. Der zielorientierte Handwerker hat immer diese Zeitvorgaben, aber auch die Qualität seiner Arbeit im Hinterkopf. „Wie schaffe ich eine bestimmte Arbeit in bester Qualität in kürzester Zeit“ – das ist sein Credo. Das macht er nicht unbedingt, um sich bei seinem Chef einzuschmeicheln. Er will auch auf der Karriereleiter vorankommen, damit er nicht auf Lebenszeit alle Drecksarbeiten machen muss. Vor allem aber ist er sich bewusst, dass er Bestandteil der Firma ist. Sie kann nur gut funktionieren und Gewinn einfahren, wenn auch er seine Arbeit ordentlich macht. Der Zielorientierte kommt bei seinen Kollegen nicht immer gut an, denn er ist der Antreiber. Meist ist er baustellenleitender Monteur oder Techniker, der für das „große Ganze“ auf der Baustelle zuständig ist. So wie er beim Kunden auftritt, beurteilt dieser meist das gesamte Handwerksunternehmen. Arbeitet er jedoch allein beim Kunden, ist er sowohl der Liebling der Kundschaft als auch der seines Chefs.

Der Schlampige

„Was nicht passt, wird passend gemacht“. Dieser Spruch ist im Handwerk weit verbreitet. Er muss es auch sein, denn auf der Baustelle herrschen nicht so „ideale“ Arbeitsbedingungen wie am Fließband. Fließbandarbeiter bauen hundertmal am Tag den gleichen Typ Beifahrersitz in eine Rohkarosse ein und jeder Handgriff ist hundertmal gleich. Auf der Baustelle aber ist jedes Rohbaufenster uneinheitlich groß, die Kabelbahn muss um einen Mauervorsprung herumgeführt werden, wie es eigentlich gar nicht möglich ist. Hier ist der Variantenreichtum der Handwerker gefordert, und dies muss nicht immer schlampige Arbeit sein. Das kann durchaus auch große Erfahrung und Gewissenhaftigkeit sein. Der Schlampige aber wird die Kabelbahn irgendwie um die Ecke herum „knitteln“, egal wie das Ergebnis auch aussehen mag. Er wird den verputzten Durchbruch irgendwie glätten – mag der Maler doch sehen, wie er damit klarkommt. Friseure und Kosmetiker gehören ebenfalls einem Handwerksberuf an. Bei ihnen wirkt sich Schlampigkeit besonders verheerend aus. Viele Kunden akzeptieren den nicht abgestuften Haarschnitt und ärgern sich hinterher umso mehr. Die Folge ist, dass sie sich früher oder später einen anderen Salon suchen. Der Schlampige ist gefährlich für das Unternehmen, denn andere Kollegen, denen die Arbeit sowieso etwas schwerfällt, orientieren sich an ihm. „Was der kann, kann ich schon lange“, ist ihr Credo, und irgendwann wird die gesamte Firma beim Kunden als schlampig eingestuft.

Der Aggressive

„Wir sind alle nur Menschen“. Dieser Spruch besteht sicherlich schon so lange, wie es Handwerker gibt. Nicht jeder Tag ist genauso wie der andere, und manchmal sind wir halt mit dem linken Bein zuerst aufgestanden. Aggressive Typen nehmen diesen Frust mit auf die Baustelle. Sie kommen früh zur Arbeit und lassen ihre schlechte Laune nicht nur an den Kollegen aus. Die erkennen den Gemütszustand häufig bereits am Gesichtsausdruck. Dann gehen sie dem aggressiven Typen besser aus dem Weg, bis sich seine Laune verbessert hat. Aggressivität wächst aber häufig auch erst bei der Arbeit. In der Tischlerwerkstatt passt nicht jedes Stuhlbein sofort in die dafür vorgesehene Aussparung und mancher Motorraum ist so verbaut, dass sich der Kfz-Techniker die Hände bei der Montage aufschrammt. Aggressive Typen reagieren darauf nicht mit Umsicht, sondern lassen ihre aufkeimende Wut über den Misserfolg an der Arbeit aus. Anstatt erst einmal tief Luft zu holen und nachzudenken, verbeißen sie sich immer tiefer in ihr Problem und richten oft sogar Schaden dabei an. Aggressive Handwerker werden von ihren Kollegen meist gemieden, denn die Zusammenarbeit mit ihnen kann gefährlich sein.

Der Einzelkämpfer

Für die große Mehrzahl der Handwerker ist die mit den eigenen Händen erbrachte Arbeit gleichzeitig eine Bestätigung des eigenen Egos. Am Stammtisch wird nicht nur über lustige Episoden auf der Baustelle gewitzelt. Vielmehr erzählt der engagierte Elektriker immer wieder gern, wie er einem äußerst kompliziert aufzuspürenden Fehler in einer Schaltanlage auf die Schliche gekommen ist. Der Zimmermann berichtet voller Stolz, welchen außergewöhnlichen Dachstuhl er für seine Kundschaft geplant, hergestellt und aufgerichtet hat. Solche Typen im positiven Sinne sind gleichzeitig häufig Einzelkämpfer. Für sie ist es wichtig, dass ihr eigenes Werk sichtbar ist und den Kunden Freude bereitet. Wären Kollegen daran beteiligt gewesen, wären sie „nur“ noch ein Teil des Ganzen, und das stört sie. Einzelkämpfer im Handwerk fordern sich aber gleichzeitig auch immer wieder selbst heraus. Sie sind bei jeder Arbeit selbst für die Lösung verantwortlich und müssen die dazu erforderlichen Schritte selbst gehen. Für ihren Chef sind sie die idealen Mitarbeiter, denn sie können überall eingesetzt werden. Im Kollegenkreis hingegen haben sie oft Probleme, sich anzupassen.

Der Geduldige

Handwerkliche Arbeiten können äußerst filigran sein. Sicherlich denkt man dabei beispielsweise an Restauratoren, die millimeterweise eine alte Wandbemalung freilegen. Sie benötigen ein Höchstmaß an Geduld, selbstverständlich aber auch an Fertigkeit. Geduld kann im Handwerk aber auch gefragt sein, wenn Kunden immer wieder mit Änderungen kommen. Jetzt werden sicher manche denken, dass ihr engagierter Handwerker schließlich auch dafür bezahlt wird. Ob das richtig sein mag oder nicht, sei dahingestellt. In fast jedem Fall sind Handwerkskollegen aber nicht sehr begeistert, wenn sie ihr soeben fertiggestelltes oder noch im Bau befindliches Werk wieder abreißen müssen. Sie fühlen sich in ihrem Ehrgeiz gekränkt, aber auch ihr Zeitplan gerät gehörig durcheinander und das nervt. Der Geduldige wird in all den geschilderten Fällen nicht die Nerven verlieren. Er überlegt, wie er das Problem lösen kann und dabei zum beiderseitigen Vorteil vorgeht. Vielleicht kann er seinen Kunden sogar noch umstimmen, dass die bereits geschaffene Lösung das sinnvollste Ergebnis ist. Er kann ihm erläutern, dass eine erneute Arbeit auch Geld kostet. Nützt alle Überzeugungsarbeit jedoch nichts, wird er seine Arbeit genauso qualitativ einwandfrei erbringen wie beim ersten Versuch. Geduld ist aber auch gefragt, wenn eine vollbrachte Arbeit nicht so funktioniert, wie dies geplant war. Die elektronische Steuerung ist fehlerhaft oder die Schornsteineinfassung ist aus unbegreiflichem Grund undicht. Der Geduldige wird in Ruhe nach der Ursache forschen und kommt so meist am schnellsten zum Ziel.

Der Angepasste

Auf der Baustelle geht es fast immer ziemlich rustikal zu. Vor allem, wenn mehrere Gewerke gleichzeitig ihre Arbeit erbringen müssen, versucht jeder von ihnen, dies in seinem Interesse zu organisieren. Daraus ergeben sich immer Reibungspunkte, wenn der Baustromverteiler früh zu Arbeitsbeginn immer schon voll belegt ist oder das Fahrgerüst ausgerechnet dort abgestellt wurde, wo der Maler eine Wand streichen will. Reibungspunkte gibt es aber auch, wenn komplizierte Kunden mit Vorstellungen aufwarten, die unerfüllbar sind oder zum Nachteil des Handwerkers erbracht werden sollen. In beiden Fällen ist der Angepasste der Handwerkertyp, der hier den Kürzeren zieht. Er will es jedem Recht machen und rückt dabei sein eigenes Interesse in den Hintergrund. Klar, das muss manchmal sein, denn zu einem komplexen Werk gehört die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten. Wer sich jedoch anpasst und nicht den Mund aufmacht, um sich durchzusetzen, unterliegt auf jeder rustikal geführten Baustelle. Eignet sich der Angepasste schon nicht als einzelner Monteur, gereicht ihm sein Charakter als Bauleiter erst recht zum Verhängnis. Wir Menschen wählen oftmals den Weg des geringsten Widerstandes. Nicht jede Arbeit auf dem Bau ist beliebt und nicht jede erforderliche Überstunde ist populär. Der Angepasste will seine Kunden zufriedenstellen, aber auch nicht bei seinen Kollegen anecken. Letztendlich wird er es immer falsch machen.

Der Besserwisser

Hinterfragen ist gut, machen ist besser. Der Besserwisser setzt noch eins drauf, denn er hat an jeder Arbeit etwas auszusetzen. Jeder seiner Kollegen macht alles falsch und er hätte sofort eine viel bessere Lösung parat. Solche Typen sind auf der Baustelle einfach nur nervig. Selbst, wenn sie mit einer anderen Meinung sogar recht haben – ihr Auftreten und wie sie diese präsentieren, geht allen anderen Handwerkern nur schlichtweg auf den Senkel.

Der Kundinnenorientierte

Die Bilder sind hinlänglich bekannt. Ein muskelbepackter junger Mann mit freiem Oberkörper und straff anliegender Arbeitshose hält lässig seinen zentnerschweren Hammer in beiden Händen und strahlt mit seinen blauen Augen lässig auf die bewundernd zuschauende Damenwelt. Es gibt ihn wirklich, wenn auch äußerst selten. Das Klischee vom Handwerker, der seine Kundin nicht nur mit guter Handwerksarbeit zufriedenstellt, hält sich hartnäckig. Es gibt tatsächlich sowohl männliche als auch weibliche Berufskollegen, die das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. In unserer heutigen Zeit knapp kalkulierter Aufträge und beständig wartender Kundschaft ist dies jedoch alles andere als die Regel.

Der Teamorientierte

Fast in allen Dingen das Gegenteil ist der teamorientierte Handwerker. Er kann sich sowohl dem Kollegenkreis unterordnen als auch die Leitung übernehmen. Damit ist nicht gemeint, dass er das Bier selbst holt. Dieses Klischee gehört in den meisten Handwerksunternehmen längst der Vergangenheit an. Vielmehr richtet er sich mit seiner eigenen Arbeit so ein, dass sie in das System passt. Teamorientierte Handwerker übernehmen die Arbeiten, die ihnen besonders gut von der Hand gehen. Sie sagen aber auch, wenn sie zusätzliche Hilfe brauchen und scheuen sich auch nicht vor der Drecksarbeit. Teamorientiert kann aber auch nachteilig sein, denn solche Kollegen verlieren allmählich ihre Eigenständigkeit. Werden sie später auf einer Einzelbaustelle eingesetzt, kann ihnen dieser Verlust auf die Füße fallen.

Der Chaot

„Nur das Genie beherrscht das Chaos“. Auch dies ist wieder ein Spruch, der nicht unbedingt nur flapsig gemeint ist. In mancher Werkzeugtasche herrscht tatsächlich ein einziges Chaos, und der Hammer wird dort abgelegt, wo man es nur nach stundenlangem Suchen wiederfindet. Chaotisch gehen aber auch Handwerker vor, die ihre Arbeit nicht planen. Sie machen den zweiten Schritt vor dem ersten wollen beispielsweise die Bremsflüssigkeit auffüllen, bevor die Bremsleitungen eingebaut worden sind. In manchen Fällen gelingt das Werk sogar einwandfrei. Der Weg dahin ist jedoch zweifelhaft und dauert häufig viel zu lang. Es gibt aber auch Chaoten unter den Handwerkern, die sich auf dieses System längst eingestellt haben. Ihr Vorgehen wirkt auf jeden Außenstehenden planlos, aber verblüffenderweise finden nur sie sich zurecht und erbringen eine einwandfreie Arbeit. Wie war das doch noch mal: „Nur das Genie beherrscht das Chaos“.