Fans verbinden mit ihren Lieblings-Promis gern eine Aura von „Abgehobensein“ und Besonderheit. Die meisten Promis sind wohl auch besonders, aber in der Regel bodenständig und sich des oft harten Bodens der Wirklichkeit durchaus bewusst. Kaum einer von ihnen, von den Mitgliedern des hier und dort immer noch regierenden Hochadels einmal abgesehen, ist schließlich als Prominenter auf die Welt gekommen. Die Lebensläufe vieler Bühnen- und Leinwand-Stars, Musikgrößen, Spitzenpolitiker und Sportasse haben die auf Realitäten ausgerichtete Welt des Handwerks berührt. Und fast immer sprechen die Promis mit Stolz über ihre Jahre mit Anschlagwinkel, Winkelschleifer und Handkreissäge, Teigschaber, Akkuschrauber und Kabelmesser.

Nicht nur Gold in der Kehle

Das hämmernde Leben als Rock´n´ Roller ist zumindest in Teilbereichen vergleichbar mit dem oft lauten Arbeitsbiotopen von Handwerkern. Zu den berühmtesten Handwerkern des Rock gehörte der für merkwürdige Handbewegungen und seine einmalig rau-zärtliche Stimme bekannte Engländer Joe Cocker (1944 – 2014). Er hatte schon als U-14-Junge im heimatlichen Sheffield begonnen, Musik zu machen. Nach der Schule begann er aber zuerst eine Lehre als Gasfitter (Gasinstallateur), um dann als kongenialer Bühnenwackler durchzustarten. 2011 gab er in Deutschland eines seiner letzten Konzerte beim Kemnader Seefestival bei Bochum.

Mit dabei bei diesem Ruhr-Event war unter anderem Ex-Betonbauer Mike Krüger im Segment Comedy. Der Hamburger Prokuristen-Sohn Krüger (geboren 1951) machte nach dem Abitur und vor dem Architektur-Studium eine Lehre als Beton-und Stahlbauer in Hamburg. Damals Anfang der 1970er Jahre war er am Bau des neuen Hamburger Elbtunnels beteiligt. Der bekennende Langnasenträger und Spaßsongmacher verarbeitete seine Erfahrungen auf dem Bau mitunter musikalisch: „Bodo mit dem Bagger“.

 

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Einer seiner Kollegen von der Brachial-Humor-Fraktion hat eine Lehre gemacht wegen der er sich wahrscheinlich manchmal den Simpel-Spott gefallen lassen musste, einer von der „Langen Leitung“ zu sein. “Weiß-du-weiß-du!“-Hektiker Mario Barth (geboren 1972 in Berlin) ist gelernter Telekommunikationselektroniker. Nach seiner Ausbildung bei Siemens, bei der ihm hoffentlich auch die Handhabung des elektronischen Messgeräts Oszillograph beigebracht worden ist, wechselte Barth zur Schauspielschule, Fachbereich Comedy, und startete danach auf der Bühne durch.

Eine andere „Rampensau“ mit handwerklichem Hintergrund ist Stefan Raab. 1966 in eine kölsche Metzger-Dynastie hineingeboren machte der junge Raab bis 1990 neben einem Schnupper-Studium in Jura eine erfolgreiche Metzger-Ausbildung im Familienbetrieb (Gesellenprüfungsnote: „Sehr gut“). Nach der Zeit mit dem Messerköcher und Wetzstahl an der Seite zog es ihm dann doch von Brühwurst und Aufschnitt als Moderator und Produzent ins Unterhaltungsgeschäft. Nicht unumstritten wegen seines von manchen Beobachtern als zu forsch empfundenen Verwurstungs-Moderationsstils in Fernseh-Formaten wie „TV Total“ wurde er in den 2000ern und 2010ern zu einem der Schwergewichten der Schenkelklopf-Szene.

Wesentlich weniger polarisierend machte sich da DJ Bobo einen Namen. Der Aargau-Schweizer Peter René Baumann (geboren 1968) wurde als tanzender Sänger und Musikproduzent einer der ganz Großen der Eurodance-Zeit in den 1990ern. Er schaffte es sich dem Massengeschmack anzupassen und bis heute mit poppigen Bühnenshows sein Publikum zu finden. Als 15-jähriger hatte er ohne großem Enthusiasmus eine Bäcker-und Konditorlehre in seinem Heimatdorf begonnen. Obwohl er die frühen Arbeitsbeginnzeiten gehasst hatte, zog Baumann die Ausbildung erfolgreich durch.

Genau wie Blondschopf Heino. Unter seinem Real-Namen Heinz Georg Kramm (Jahrgang 1938) erhielt der spätere „Karamba, karacho, ein Whisky“-Stimmungssänger nach drei Jahren Lehre 1955 in seiner Geburtsstadt Düsseldorf den Gesellenbrief. Nebenbei hatte er, von seinem Lehrmeister unterstützt, schon gesungen. 1996 nutzte Heino seine profunden Kenntnisse von Ausstecher und Backpapier und machte in Münstereifel ein Café auf.

Die Haare schön machte einige Zeit die Popsängerin und TV-Schauspielerin Jeanette Biedermann. Die Brandenburgerin des Jahrgangs 1980 hatte nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zur Friseurin beim Locken-Papst Udo Walz angefangen, die Lehre aber abgebrochen, um auf der Bühne und vor der Kamera Karriere zu machen. Walz konnte das verstehen.

Auf der politischen Bühne eher eine Seltenheit

Politiker haben heute nur noch selten einen Gesellen-oder Meisterbrief. Unter den Top 25 der von Regierungsmitgliedern und Bundestagsabgeordneten ursprünglich ausgeübten Berufen steht (wen wundert´s) die Juristerei. Gut 25% der MdBs haben juristische Staatsexamen. Gefolgt von Pädagogen, Politologen und Volkswirten. Richtig Schwielen an den Händen hatten und haben im Spitzenbereich der Politik nur Wenige. Dazu zählt Michael Müller, der seit Ende 2014 in Nachfolge von Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister Landeschef von Berlin ist. Der 1964 in Berlin geborene Sozialdemokrat machte nach der Mittleren Reife und dem kurzen Besuch einer Fachoberschule von 1983 bis 1986 eine Lehre als Bürokaufmann in einem Metallbetrieb. Danach brachte ihm sein Vater das Druckerhandwerk im Tempelhofer Familienbetrieb bei. Parallel zur Welt von Setzschiff und Winkelhaken bastelte er als treuer Weggefährte des SPD-Stars Wowereit an seiner Polit-Karriere. Bis 2011 (in diesem Jahr wurde er Umwelt- und Stadtentwicklungs-Senator) führte Müller zusammen mit seinem Vater die kleine Buch-Druckerei in Berlin-Tempelhof. Stolz weist der optisch mit korrekter Brille und ordentlichem Haarschnitt stets sympathisch-unauffällig wirkende SPDler darauf hin, dass in seinem Betrieb immer noch wie vor hundert Jahren allgemein üblich im Hochdruckverfahren mit Bleilettern gearbeitet wird.

Das dürfte auch Müllers Parteigenosse Wolfgang Thierse gefallen. Denn der 1943 geborene Breslauer, Rechtsanwaltssohn und Büchernarr und spätere SPD-Star hatte nach dem Abitur im thüringischen Hildburghausen bei einer Zeitung in Weimar das klassische, mit dem Buchdruckertum verwandte Schriftsetzerhandwerk gelernt. Als Bleisetzer-Lehrling wurde ihm der Umgang mit Setzschiff und Winkelhaken beigebracht. Weitere bekannte SPD-Schriftsetzer sind beziehungsweise waren die Ex-Ministerpräsidenten Björn Engholm (Schleswig-Holstein, 1988 - 1993) und Philipp Scheidemann (Weimarer Republik, 1919) Nach der Lehre begann Thierse 1964 Germanistik in Berlin zu studieren, legte sich nach dem Diplom als Uni-Assistent mit der DDR-Obrigkeit an und war während und nach der Wende einer der markantesten Köpfe dieser Zeit. Seit 1990 Abgeordneter krönte der politisch immer noch aktive Ex-Setzer seine Laufbahn als Präsident bzw. Vize-Präsident des Bundestags (bis 2013).

Ebenfalls seit kurzem nicht mehr im Bundestag (2005 bzw. 2015) sitzen die CSU-Politik-Urgesteine Michael Glos und Peter Ramsauer. Die beiden Christsozialen verbindet nicht nur ihre blauweiße Herkunft, sondern auch ihre private Profession als Mühlenbetriebs-Unternehmer. Der Unterfranke Glos (Jahrgang 1944) entstammt einer alten Müllerfamilie. Er machte 1967 seinen Meister und übernahm den elterlichen Betrieb. Bekannt wurde er als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag (1993 – 2005) und als Bundeswirtschaftsminister (2005 – 2009). Sein Parteifreund Ramsauer (Jahrgang 1954) war von 2009 bis 2013 Bundesverkehrsminister und von 2008 bis 2015 Vize-Parteivorsitzender - auch er ein Müllermeister (1980). Seine Gesellenausbildung hatte Ramsauer neben dem Studium absolviert. Heute werden Müller im Zuge von Veränderungen im Berufsanforderungsprofil übrigens offiziell nicht mehr „Müller“ genannt, sondern „Verfahrenstechnologen in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft“.

Das Berufsbild des Werkzeugmachers hat sich ebenfalls verändert. Die Aufgaben, komplizierte Industrie-Werkzeuge herzustellen, haben heute Spezial-Berufsangehörige wie Mechatroniker oder Zerspanungstechniker mit ihren Hightech-Werkzeugen übernommen. Die Werkzeugmacher der alten Schule, so wie der immer noch politisch aktive, halblinke CDU-Veteran Norbert Blüm, hatten als Hauptwerkzeug die Feile beherrscht. (Das perfekte Beherrschen von Feiltechniken wird allerdings weiterhin von den modernen Werkzeugmachern in ihrer Ausbildung eingeübt.) Der Rüsselsheimer Blüm (geboren 1935) hatte von 1972 bis 2002 im Bundestag gesessen und sich von 1982 bis 1998 als Bundesarbeitsminister profiliert. Bei Opel, in seinem Geburtsort, machte er von 1949 bis 1952 die Lehre zum Werkzeugmacher. Er blieb bis 1957 bei der Feile, machte Abendabitur und ging dann in die Politik. Heute engagiert sich der „Herz-Jesu-Marxist“ Blüm unter anderem für humanitäre Projekte.

Praktiker der Leinwand

Richtig handfest begann die Karriere von „Indiana Jones“ Harrison Ford („Blade Runner“, „Star Wars“). Der 1942 in Chicago geborene Ford wollte Schauspieler sein, aber die Engagements waren für ihn in den 1960er Jahren sehr rar und so verdiente er lange den Lebensunterhalt für sich und seine Familie als Tischler in einer Requisiten-Schreinerei und als Roadie (unter anderem für „The Doors“). Er machte sich in Hollywood bei Schauspielern und Produzenten - bevor er Leinwandstar wurde - einen Namen als geschickter Möbelschreiner.

Viele weitere Prominente kannten und kennen sich mit Schlitzzapfen und Schwalbenschwanz aus. Darunter neben den DDR-Oberen Walter Ulbricht (1893-1973) und Wilhelm Pieck (1876-1960) sowie dem bayerischen Schräg-Quatschkopf Karl Valentin (1882 – 1948) auch der 1903 in Württemberg geborene und 1945 im KZ ermordete Hitler-Attentäter Georg Elser. TV-Star Jan Josef Liefers (geboren 1964 in Dresden) stammt aus einer sächsischen Schauspieler-Dynastie. Da lag es nicht fern, dass er nach der Schulzeit Bühnenluft bei einer Tischler-Lehre im Dresdener Staatstheater atmete. Von sich selbst sagte Liefers einmal in einem Interview, dass ihm zwar Schlitzzapfen und Schwalbenschwanz immer noch geläufige Begriffe seien, er aber nicht der ganz große Tischler-Crack sei.

Auch Tatort-Kommissar Klaus J(ohannes) Behrendt (Jahrgang 1960) kennt die Ackerei aus eigener Erfahrung. Als Bergmechaniker-Azubi (seit 1989: Bergbautechnologe) fuhr er in Ibbenbühren oft 1600 m unter Tage.

Sportlich und handbegabt

Bei den Sport-Promis gibt es vielleicht erwartungsgemäß viele große Namen, die sich in der Jugend als Handwerker profiliert haben. Handspiel war für die 1961 in Erlangen geborene Fußball-Legende und Plaudertasche Lothar Matthäus natürlich während seiner Sportkarriere tabu. Nach dem Hauptschulabschluss lernte er im väterlichen Raumausstattungsbetrieb in Herzogenaurach als Auszubildender die Kunst des Bodenbelägeverlegens, Möbelpolsterns und Fensterdekorierens, um Innenräume chic zu machen. Später machte er dann als Fußballspieler den Raum auf internationaler Ebene für den Gegner eng.

Genau wie sein Fußball-Kollege Jürgen Klinsmann (Nationalspieler 1987 – 1998, Nationaltrainer 2004 - 2006). Der 1964 geborene Klinsi (Rückennummer 18) hatte wie Lodda in Familienbetrieb einen Handwerksberuf gelernt. Bei Klinsmann war es das Bäcker-Handwerk in Stuttgart-Bottnang. 1982 bekam Klinsmann seinen Gesellenbrief.

Der Hürther Autorennfahrer Michael Schumacher (1969 geboren) hat seine Handwerker-Ausbildung unmittelbar mit seiner Laufbahn auf der Rennbahn verbinden können. Nach dem Realschulabschluss 1986 folgte eine Ausbildung als KfZ-Mechaniker im Betrieb seines Förderers, des Rennfahrers Willi Bergmeister, in der an Düsseldorf grenzenden Stadt Langenfeld. 1989 war Schumacher Geselle und hatte beurkundet grundlegende Kenntnisse über Motor und Auspuff.